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Anreise per Fahrrad – ein Reisebericht


Im Juli 2018 bin ich zum Italienischkurs in Castelnuovo mit dem Fahrrad an- und abgereist. Ich hatte jeweils nur 4 Tage Zeit, deshalb hab ich Fahrrad und Bahn kombiniert ... Ich hab für An- und Abreise jeweils eine etwas andere Strecke gewählt, der Abwechslung halber.

Dann hab ich die Strecke vorgeplant und mir von bikemap.net gpx Tracks erzeugen lassen, die ich auf mein Garmin etrex 20x geladen habe. Das hatte den Vorteil, dass ich den Weg nicht suchen musste - der Nachteil ist allerdings, daß man sich an den Track halten muß. Wenn man mit ihm nicht zufrieden ist und einen anderen Weg fährt, dann kann die Orientierung schwierig werden ...

Die passende Karte hab ich mir von OpenStreetmap besorgt. Auf extract.bbbike.org kann man sich einen frei wählbaren Kartenausschnitt (muss kleiner 512 Mb sein) erzeugen lassen, den man direkt auf den Garmin kopieren kann. Ich hab einen Ausschnitt von Zürich im Norden, Genua im Süden, Genf im Westen und Venedig im Osten gewählt. Mit der Karte war ich sehr zufrieden, mit den Tracks nicht immer...

Auf dem Hinweg bin ich mit dem Zug bis Chur gefahren und von dort aus mit dem Fahrrad über den Lukmanier Pass bis nach Castelnuovo.

Auf dem Rückweg hab ich die Strecke über Domodossola, Simplon Pass, Brig, Grimsel Pass bis nach Interlaken genommen und bin von dort aus mit dem Zug heim gefahren.


Hinfahrt


Anfahrt mit dem Zug

Auf der Stecke Stuttgart – Zürich verkehrt stündlich ein IC, in dem man ein Fahrrad mitnehmen kann. Vorsicht: Man braucht eine Fahrrad-Transportkarte und muss einen Platz für das Fahrrad reservieren. Das geht nicht online sondern nur an einem Schalter der Bahn. Innerhalb der Schweiz ist es dann einfacher. Man kann das Fahrrad in beinahe allen Zügen ohne Reservierung mitnehmen. Ich bin mit dem IC nach Zürich gefahren und von dort aus mit einem schweizer IC nach Chur...

Mittwoch: Erste Etappe Chur – Disentis, 70 km, 1120 Höhenmeter

Karte

In Chur ging es dann um 13:00 los mit technischen Problemen mit Garmin und Handy: der Garmin hatte sich eine falsche Position gemerkt und musste rebootet werden (was ich erst viel zu spät bemerkt habe) und im Handy war Data-Roaming ausgeschaltet – auch das hab ich erst ne halbe Stunde später gemerkt. So richtig losgefahren bin ich dann gegen 13:45 ...

Ich muß sagen, die erste Etappe hatte ich unterschätzt. Laut bikemap sollten es 67 km und 1000 Höhenmeter sein. Tatsächlich waren es knapp über 70 km und vielleicht 1120 Höhenmeter. Und ich hatte vergessen, wie sich ein Rad mit vollen Gepäcktaschen fährt – wie ein Sattelschlepper.

Dazu kam, daß Bikemap immer den offiziellen Radweg rausgesucht hat, und der ist auf dieser Strecke sowohl vom Belag (teilweise sehr grober Schotter) als auch von der Wegführung (rauf-runter, rauf-runter an Stellen wo die Straße ziemlich eben verläuft) für voll gefederte Mountainbikes sicher ganz gut zu fahren, ich mit meinem ungefederten Trekkingrad und 15 kg Gepäck hatte allerdings schwer zu kämpfen. Das nächste Mal würde ich im Zweifelsfall drauf achten, eher auf oder neben der Straße zu fahren. Das sollte man schon bei der Planung berücksichtigen, ich hatte es mir da aber wohl etwas zu einfach gemacht und die Tracks von bikemap unbesehen übernommen.

Ungeachtet dieser Widrigkeiten war es ein tolles Erlebnis. Ich hatte ganz vergessen, wie schön es sich anfühlt, mit dem Rad auf großer Fahrt zu sein und speziell durch ein langgestrecktes Alpental zu fahren. Der Weg führte durch die Rheinschlucht Ruinaulta, die auch "Grand Canyon der Schweiz" genannt wird – eine irre Landschaft und einen Besuch wert.

Rheinschlucht Ruinaulta Rheinschlucht Ruinaulta

Fotos: Rheinschlucht Ruinaulta

Hervorragend war auch das Wetter – blauer Himmel, strahlende Sonne und über 30 Grad Celsius. Da die Oberschenkel ziemlich zu brennen anfingen, hab ich mehrmals Sonnencreme aufgetragen und das scheint geholfen zu haben – ich bekam auf alle Fälle keinen Sonnenbrand. Auch mein Wasserverbrauch war ziemlich hoch. Zum Glück gab es in fast allen Ortschaften Brunnen mit Trinkwasser.

Nach der Rheinschlucht gehts erst mal 200 Höhenmeter steil hinauf (wahrscheinlich die steilste Stelle der gesamten Route), danach wieder 200 Höhenmeter bergab und dann auf 35 km 400 Höhenmeter bergauf. Um 19:30 bin ich dann in Disentis in meiner Unterkunft (vorgebucht via booking.com) angekommen und hab mich beim Essen über die exorbitanten Preise in der Schweiz gewundert.

Donnerstag: Zweite Etappe: Disentis – Lugano, 120 km, 1320 Höhenmeter

Karte

Um 8:30 am Donnerstag gings in Disentis los. Erst mal 40 Höhenmeter bergab bis zum Beginn des Passes und dann die 16 km und 909 Höhenmeter bergauf bis zur Passhöhe. Der Lukmanier Pass ist nicht spektakulär, keine Abgründe, dafür relativ wenig Verkehr, unten grüne Wiesen, oben Steinwüste und nie allzu steil. Die steilsten Stellen sind direkt nach dem Start bis km 5 und kurz vor der Passhöhe. Oben auf dem Pass gibts einen Stausee, leider liegt die Passhöhe in einer Galerie. Von dort aus fährt man ein paar Hundert Meter bergab, dann kommt das Ospizio del Lucomagno wo man sich etwas stärken kann.

Bei km 55 kommt man auf die Strecke, die vom Gotthard runterkommt, und nach weiteren 22 km erreicht man Bellinzona. Die Gegend ist hier relativ eben und die Fahrradwege sind gut ausgebaut, weitgehend asphaltiert und bequem zu fahren.

Zwischen Bellinzona und Lugano liegt leider noch ein Bergrücken (der Monte Ceneri). Für diesen gibts keinen Fahrradweg, sondern man muss die 3-spurige Passstraße(ca. 400 Höhenmeter) mit dichtem Verkehr fahren. Obwohl die ersten paar Kilometer noch ein Fahrradstreifen ausgewiesen ist, macht es keinen Spaß diese Straße zu fahren. Das nächste Mal würde ich, um diese zu vermeiden eine andere Route nehmen: von Bellinzona aus am Südufer Lago Maggiore entlang via Luino, Porto Valtravaglia, Cittiglio, Bardello am Lago di Varese und von da aus nach Süden Richtung Somma Lombardo.

Lugano1 Lugano2 Lugano3

Fotos: Lugano

Lugano war dafür richtig schön mit südlichem Flair, Musik auf der Promenade, viel Leben im Freien und einem witzigen Kinderfest mit selbstgebasteltem Spielzeug aus alten Fahrradteilen...

Freitag: Dritte Etappe: Lugano – Mortara, 110 km, 300 Höhenmeter

Karte

Am Ufer des Luganer Sees entlang, durch die Ausläufer der Alpen komme ich nach ca 40 km in flaches Gelände. Bei km 60 beginnt die Poebene und ich fahre ca 35 km östlich von Mailand nach Süden bis ich bei km 110 mein Etappenziel Mortara erreiche. Nach den Anstrengungen des vorhergehenden Tags sollte dies eine Etappe zum Ausruhen werden. Ich muß mehrmals anhalten und Wasser kaufen, da die Hitze unerträglich ist. Was mir auch schwer zu schaffen macht ist mein Gesäß, das hat sich richtig wundgescheuert. Ich fahre 30 – 40 Prozent der Strecke im Stehen. Zum Glück ist die Etappe nicht so lang ...

In Mortara muss ich lange nach der Unterkunft suchen. Ich finde sie außerhalb in einem Industriegebiet. Da hatte ich bei der Buchung nicht aufgepasst ...

Samstag: Vierte Etappe: Mortara – Castelnuovo, 84 km, 400 Höhenmeter

Karte

Ich hatte mit dem Hotelier ein Frühstück um 8:00 vereinbart, aber als ich um 8:00 ins Restaurant gehen will, ist dieses abgeschlossen. Vom Personal ist auch niemand zu sehen / erreichen. Also "frühstücke" ich einen Müsliriegel auf meinem Zimmer. Als ich um 9:00 aufbrechen will, kommt gerade die Frühstücksmannschaft und ich bekomme noch einen Espresso und ein Brioche.

Es regnet in Strömen. Also ziehe ich meine Regensachen an und fahre los. Der Garmin leitet mich zunächst auf kleinen Sträßchen durch die Pampa. Später werden diese dann zu Feldwegen mit Schotter oder Kiesbelag, der Kies teilweise über 10 cm tief. Auf den Fahrrinnen gibts Pfützen, die über 20 Meter lang und 15 cm tief sind. Jetzt nur nicht stehen bleiben, sonst sind die Schuhe pitschnass. Es geht sehr mühsam und langsam vorwärts. Nach ca. 2 Stunden hört es auf zu regnen, und ich habe eine Straße gefunden, auf der ich fahren kann. Auf meinem Garmin zoome ich heraus und achte einfach darauf, dass ich mich so in etwa parallel zum track bewege. Sobald ich in die Umgebung von Alessandria komme, fahre ich nach den Wegweisern. Ab Alessandria ist der track wieder fahrbar und das Rad läuft wie von selbst...


Rückfahrt


Ich wollte nicht den gleichen Weg zurück fahren, deshalb hab ich mir die Strecke über Domodossola – Simplonpass – Brig – Gletsch – Grimselpass – Interlaken und ab da Eisenbahn rausgesucht. Die Landschaft auf dieser Route ist gigantisch und der Grimselpass ist super schön. Leider ist der Simplonpass genau so schrecklich wie der Grimselpass schön ist...

Samstag: erste Etappe der Rückfahrt, Castelnuovo – Borgomanero, 130 km, 670 Höhenmeter

Karte

Die erste Etappe war unspektakulär. Im ersten Drittel ein paar giftige Anstiege und Abfahrten, dann flaches ebenes Land und dann langsamer Anstieg bis Borgomanero. Borgomanero ist ein ganz nettes Städtchen und größer als ich gedacht hatte. Das Wetter hat den ganzen Tag gehalten, nur 10 Minuten vor meiner Ankunft fings an zu regnen ...

Sonntag: zweite Etappe der Rückfahrt über den Simplonpass, Borgomanero - Brig, 120 km, 2050 Höhenmeter

Karte

Die Strecke startet idyllisch am Lago d'Orta entlang. Bis Domodossola und auch die ersten paar Kilometer des Simplon Passes (vielleicht bis Varzo) ist alles ganz easy. Aber dann wird der Pass steiler (obwohl er nie wirklich steil ist) und vor allem der Verkehr heftiger. Ich hatte permanent das Gefühl, ich bin auf der In den Tunnels fahren Wohnmobile dicht auf und hupen wenn sie nicht vorbei kommen. Das hab ich noch an keinem anderen Pass erlebt. Alles in allem eine Erlebnis, das ich nicht noch mal brauche...

In Brig herrscht brütende Hitze. Die Stadt wirkt sympathisch...

Ich hab nur kurz angehalten, eine Windjacke übergezogen und bin dann gleich weitergefahren. Die Abfahrt war idyllisch – schmale Straße, schöne Landschaft, große Hitze. Der gps track wollte mich mehrere Male von der Passstraße weg und auf schmale, geschotterte Fahrradwege leiten. Dem hab ich aber (nach den Erfahrungen des Vortags) widerstanden und bin auf der Straße geblieben – was gut so war. Es gab Stellen, wo der track auf der anderen Seite des Flusses verlief und es nicht klar war, wie man da hinüber kommen sollte...

Montag: dritte Etappe der Rückfahrt, Brig – Innertkirchen via Grimselpass, 82 km, 1640 Höhenmeter.

Karte

Im Hotel frage ich die Wirtin, ob es bis zum Anfang des Grimselpasses viele Höhenmeter sind. Sie sagt: nein, da gehts immer nur so ein bischen rauf und runter. Daran sieht man, dass sie nie mit dem Fahrrad die Strecke gefahren ist. Denn der Pass beginnt bei Gletsch. Und bis Gletsch sind es 1180 Höhenmeter.

Der Pass selber hat nur 420 Höhenmeter. Die Anfahrt nach Gletsch geht durch das obere Rhonetal und ist beeindruckend. Unterwegs sieht man mehrfach den Glacier Express. Die Straße ist stellenweise doch ziemlich steil, und der Verkehr heftig. Das liegt daran, daß von dieser Straße 3 Pässe abgehen: Der Nufenen bei Ulrichen und der Grimsel und der Furkapass bei Gletsch.

Kurz vor Gletsch hat man einen schönen Blick auf Grimsel und Furkapass. Der Grimsel ist ein beeindruckender Serpentinenpass. Sehr schön zu fahren, das macht richtig Spaß. Auf der anderen Seite geht es dann durch eine Art Mondlandschaft voller Stauseen steil und lang abwärts. Innertkirchen besteht aus einem Hotel, ein paar Höfen und einem Bahnhof.

Grimsel1 Grimsel2 Grimsel3

Fotos: Blick vom Rhonetal auf den Grimselpass | Blick vom Grimsel zurück | Abfahrt vom Grimsel nach Norden

Dienstag: Vierte und letzte Etappe, Innertkirchen – Interlaken, 34 km, 400 Höhenmeter

Karte

Wieder eine unterschätzte Etappe. Obwohl es nur 34 km und 400 Höhenmeter sind, sind doch ein paar sehr giftige Anstiege dabei. Man fährt zwar am Südufer des Brienzersees entlang, aber dieses Ufer ist sehr steil und es geht ordentlich rauf und runter. Trotzdem waren das keine ernsthaften Probleme und ich habe meinen Zug in Interlaken problemlos gekriegt...