Weine und Cantine

Unser Haus liegt mitten in einer alten Kulturlandschaft, die vom Weinbau dominiert wird. Früher hatte jede Bauernfamilie der Gegend auch Weinberge, die Trauben verkauften sie an Händler. Da man von Trauben nicht satt wird, haben früher viele Winzer in den Langhe zwischen den Nebbiolo-Reihen Getreide angebaut. In La Morra kann man das Denkmal eines ausgemergelten Winzers besichtigen. Doch die Zeiten haben sich geändert. Erste Genossenschaften wurden schon vor über 100 Jahren gegründet. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es eine ganze Welle von Gründungen, häufig waren ehemalige Partisanenkommandanten dabei führend. In einigen Dörfern gab es zwei oder sogar drei »Cantine sociali«, je nach politischer Orientierung: kommunistisch, sozialistisch, christdemokratisch. Einige Genossenschaften setzten sich nicht nur die Verbesserung der Einkommen, sondern auch der Qualität zum Ziel – wie zum Beispiel die Cantina Sociale Vinchio-Vaglio oder Terre del Barolo in der Nähe von Alba, inzwischen der größte Produzent der Gegend. Damit ging der alte Gedanke verloren, dass die lokale Bevölkerung sich dort ihren offenen Wein holt und zu Hause abfüllt. Heute bieten die wenigen verbliebenen Genossenschaften eine riesige Palette von Flaschenweinen – »der Kunde will das« – während sie oft über 80 Prozent in Tankwagen an deutsche Supermärkte billigst verkaufen müssen. Diese Krise der Genossenschaften hat zu einem anhaltenden Monopolisierungsprozess geführt. So ist in Castelnuovo Calcea die Cantina Sociale »Sei Castelli« aus sechs unabhängigen Genossenschaften der Nachbardörfer entstanden. Selten trifft man noch - wie im Nachbarort Mombercelli am Tag der offenen Cantina – die ProduzentInnen selbst, die dir Wein ausschenken. Was in der Gegend von Alba schon lange zu beobachten ist – ausländische Investoren kaufen Weinberge zu Preisen von sechs Millionen Euro pro Hektar – hat auch im Monferrato begonnen.

Weine der Region

Barbera

Es gibt eine reichhaltige Auswahl an bedeutenden piemontesischen Rotweinen. Der Nebbbiolo hat das Prestige des Piemont seit den 1960er Jahren geprägt, aber getrunken haben die Leute Barbera, mit dem etwa die Hälfte der Rebflächen bestückt ist. Jahrzehntelang lieferte die Barbera-Traube höchste Hektarerträge – und schlichte, oft recht saure Weine. Der Tiefpunkt war Mitte der 1980er Jahre mit dem Methanolskandal erreicht, als kriminelle Abfüller billigsten Barbera mit Methylakohol »veredelten;« 20 Menschen starben. Es gab aber schon damals junge Winzer, die auf eine Umkehr hinarbeiteten und Barbera von hoher Qualität erzeugten. Sie erkannten, dass in ihm ein ungeheures Potential steckt. Aus der Rebe lassen sich junge, spritzige Weine, als auch körperreiche Lagerweine mit fruchtiger Säure produzieren. Ein Barbera Superiore war meist im Holzfass, wenn nicht sogar im Barrique. Während Barbera d'Alba in den letzten Jahrzehnten eher auf »internationalen Geschmack« getrimmt wurde, gibt es bei Barbera d'Asti interessante Entwicklungen. Weine aus uralten Reben, ertragsreduziert angebaut, die zu dichten Weinen mit Kirsch- und Pflaumenaromen ausgebaut werden. Selten geworden ist der moussierende Barbera.

Um in der (preislichen) Spitzenklasse mitmischen zu können, hat ein Konsortium von Barbera-Winzern in 18 Gemeinden den »Nizza DOCG« erfunden: die Weinberge müssen zwischen 150 und 350 Meter hoch liegen und nach Süden ausgerichtet sein, es dürfen maximal sieben Tonnen pro Hektar gelesen werden, der Wein muss 18 Monate lagern, davon sechs Monate im Holz usw. Die Möglichkeit, einen hohen Flaschenpreis zu erzielen, zieht ausländische Investoren an, die nicht vor Ort sind, sondern ihre Weinberge von Dienstleistern bestellen lassen. Die Bodenpreise steigen rasant an. Allerdings ist die Barbera-Rebe von der »Goldgelben Vergilbung« (flavescenza dorata) schwer betroffen. Kranke Pflanzen müssen rausgerissen werden, mitunter zehn Prozent der Reben pro Jahr.

Nebbiolo

Nicht betroffen von dieser Krankheit ist der Nebbiolo, den die meisten kennen als die Rebsorte, aus der Barolo oder der Barbaresco hergestellt wird. Nebbiolo liefert tanninreiche Weine, die lange reifen müssen. Der Name wird von »nebbia« (Nebel) abgeleitet – manche sagen, weil die Beeren bei Vollreife einen weißen Belag haben, manche sagen, weil diese dickschalige, kleinbeerige und spät reifende Sorte nur gut wird in den Morgennebeln des Piemont... Nebbiolo-Weine haben jedenfalls große Jahrgangsschwankungen, je nachdem, wie der Herbst ausfällt. Nebbiolo gedeiht nur auf kalkhaltigen Mergelböden auf steilen Süd-oder Südwestlagen – wie in der Gegend um Alba oder dem nördlichen Piemont in Gattinara oder Ghemme. In ganz bestimmten Gemeinden kann der im Fass veredelte Nebbiolo als »Barbaresco« oder »Barolo« verkauft werden. In der kleinen Weinbauregion Roero mit sandigen Böden kann im Fass veredelter Nebbiolo als »Roero DOCG« verkauft werden (nicht zu verwechseln mit Roero Arneis!). 2019 wurde eine neue DOC Monferrato Nebbiolo zugelassen: bisher durften Winzer im Astigiano die Rebsorte nicht aufs Etikett schreiben, ihr Nebbiolo hieß einfach Monferrato Rosso. .

Dolcetto ist eine vor allem im Piemont angebaute Rebsorte. Übersetzt heißt Dolcetto »der kleine Süße« (er ist aber keineswegs süß, sondern ziemlich trocken!). Es ist der normale Sonntagswein, der nicht viel Alterungspotential hat (ein Jahr in der Flasche liegen lassen, im nächsten Jahr dann trinken). Im Glas intensiv rubinrot mit leichter Tendenz zu Granat-Tönen in der Alterung. Trocken und weich ausbalanciert, mit angenehmer, leicht bitteren Mandelnote. Wikipedia: »Einige Experten vermuten den Ursprung der Traube in Frankreich, wahrscheinlicher ist jedoch ihr Ursprung im Monferrato um das Jahr 1000. Die systematische Kultivierung darf im Mittelalter angenommen werden. Vom Monferrato fand die Sorte schnell Verbreitung nach Westen, so u.a. nach Ligurien (wo die Sorte oft Ormeasco genannt wird) und in die Gegenden um Mailand und Piacenza.« Es gibt sechs DOC- bzw. DOCG-Regionen: Dolcetto d'Acqui, Dolcetto d'Alba, Dolcetto d'Asti, Dolcetto di Diano d'Alba, Dolcetto di Dogliani, Dolcetto d'Ovada.

Freisa

ist eine typische Piemont-Rebe. Wie man seit kurzem weiß, ist sie sowohl mit Viognier als auch mit Nebbiolo verwandt. Kräftige Säure, hoher Anteil an Tanninen. Daraus werden traditionell leicht schäumende sortenreine Rotweine mit Restsüße produziert, aber zunehmend auch anspruchsvolle Weine mit eigenwilligem Geschmack.

Grignolino

ist ein heller, erfrischender Rotwein, fast Rosé, der jung und kühl am besten trinkbar ist; passt super zu Vesper und Suppen, aber auch zu Risotto und Agnolotti, zu hellem Fleisch und zu würzigen Fischgerichten – die beste Kombination ist wahrscheinlich mit gekochter Salami (salame cotto). Leute, die auf »moderne Weine« mit ihrem Weltgeschmack abfahren, werden dem Grignolino nicht viel abgewinnen können; er hat eine unaufdringliche Eleganz, viel Tannin und typischerweise deutliche Pfeffertöne. Manche bezeichnen den Grignolino als den «Anarchisten des Monferrato». Das Tannin des Grignolino rührt von den kleinen Beeren her, die wenig Fruchtfleisch enthalten und viele Kerne – bis zu fünf – die während der Gärung Tannin abgeben. Leider schmeckt Grignolino wohl nur den älteren Einheimischen, der Export nach Deutschland liegt bei Null. Man sollte ihn wenigstens zwei- oder dreimal probieren!

Ruché

ist ebenfalls eine rote Rebsorte. Aktuell sind weltweit ca. 100 Hektar bestockter Rebfläche bekannt. Nachdem die rare Sorte nahezu verschwunden war, wurden in den 1970er Jahren Aktionen zur Wiederanpflanzung gestartet. Die Bemühungen führten schließlich zur Einführung einer kleinen DOC mit dem Namen Ruchè di Castagnole Monferrato. In den letzten Jahren hat er deutlich aufgeholt, und der «Guida dei Vini Italiani« hat einen Ruché di Castagnole Monferrato 2010 unter 12.000 italienischen Weinen zum Wein des Jahres gewählt. Das DOC-Gebiet umfasste ursprünglich nur 15 Hektar Rebfläche, es wurde nun ausgeweitet, weil der Wein sich zu einem guten Preis verkaufen lässt. Ruchè ist ein sehr aromatischer Wein mit einer betörenden Aromatik (extrem floraler Duft, der häufig an Rosen erinnert) und einer unglaublichen Struktur. Eine Bombe zu rustikalem Essen wie Kalbskopf, Kuddeln, zu geschmackvollen Käsesorten, zu Wildgerichten, zur Bagna cauda – aber auch ein super Wein, einfach zum so Trinken und Genießen.

Brachetto

Ist eine aromatische Rotweinsorte, die fast ausschließlich im südlichen Piemont angebaut wird. Der Brachetto d'Acqui DOCG ist ein leichter rosafarbener Schaumwein. Ab und zu findet man Winzer, die Brachetto als trockenen Rotwein ausbauen, zum Beispiel Claudio Solito von La Viranda: Libertario Rosso ist aus Brachetto-Trauen gekeltert.

Pelaverga

Verduno Pelaverga ist eine rote, spätreifende Rebsorte aus dem Piemont, im Glas hell-rubinrot. Bis ins Mittelalter war die Sorte sehr weit verbreitet, wurde dann aber durch die Rebsorten Barbera und Nebbiolo verdrängt. Ähnlich pfeffrige Noten wie beim Grignolino, aber mehr Struktur. Das Anbaugebiet des Pelaverga ist klein, lediglich 16 Hektar. Denn der Pelaverga-Rebstock stellt ebenso hohe Anforderungen an die Lage wie der Nebbiolo – aber Nebbiolo bzw. Barolo lässt sich sehr viel einfacher und sehr viel teurer verkaufen! Der Pelaverga ist ein äußerst reizvoller Wein, kompletter als Barbera, feiner als Dolcetto... Seit 1995 hat er den DOC-Status, damals produzierten sechs Winzer 40.000 Flaschen im Jahr; heute sind es 13 Produzenten, die jährlich 140.000 Flaschen abfüllen. Der Aufschwung begann 2003.

Weißweine spielen bei den piemontesischen Weinen eine eher untergeordnete Rolle, obwohl es mehrere ausgesprochen trinkbare Weißweine gibt:

Moscato

Der bekannteste Weißwein der Gegend ist sicher der Moscato, der immer noch in großen Mengen zu Asti Spumante verarbeitet wird. Aber Winzer und Genossenschaften machen daraus auch einen hochwertigen Schaumwein. Seit 1967 hat Moscato d'Asti DOC-Status. Manche Winzer stellen daraus auch hervorragende Trockenbeerenauslesen her.

Cortese

Ist eine typische Rebsorte in der Provinz Asti, aus der leichte trockene Weißweine gekeltert werden, aber auch berühmte Weine wie Gavi oder Bianco di Custoza.

Favorita

Ist eine autochthone Weißweinsorte des Piemont, in anderen Teilen Italiens heißt sie Vermentino. Vor allem im Roero-Gebiet und den Langhe wird daraus Langhe Favorita DOC gekeltert.

Arneis

Alte Weißweinsorte. Der Name bedeutet im lokalen Dialekt »die kleine Schwierige«. Wurde lange Zeit vor allem mit Nebbiolo verschnitten. Erst seit den 90er Jahren als eigenständiger säurearmer Weißwein in den Langhe und insbesondere dem kleinen Gebiet Roero produziert – verkauft als Langhe Arneis bzw. Roero Arneis DOC. Aromen von grünem Apfel, Melone, Mandeln. Manche Winzer legen den Wein auch ins Holzfass.